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Der Heilige Hieronymos

43 Januar2010 013 klDie Legende erzählt vom Heiligen Hieronymus, der einst mitten in der Wüste ein Kloster erbaute. Eines Tages kreuzte ein hinkender Löwe der fürchterlich schrie den Weg der Mönche. Die Mönche flohen entsetzt und rannten um ihr Leben, nur Hieronymus blieb allein zurück. Der Löwe humpelte zu ihm und reichte ihm seine Tatze, in dem ein Dorn steckte. Hieronymus zog diesen heraus und umwickelte die verletzte Pfote mit einem Stück Stoff, den er sich aus seinem Mantel gerissen hatte. Von da an wurde ihm der Löwe zum treuen Begleiter.

So wurde der treue Löwe auch zum Beschützer einer kleinen Eselherde, die zum Kloster gehörte. Einmal zog er mit dem Leitesel durch die Wüste, und weil es ein sehr heißer Tag war, legte sich der Löwe zur Mittagszeit unter ein schattiges Plätzchen und schlief ein. Eine Karawane sah den verlassenen Esel und sie stahlen ihn. Als der Löwe aus seinem tiefen Schlaf erwachte und den Esel nicht mehr sah, erschrak er sehr. Er suchte nach dem verschwundenen Tier, aber musste schließlich ohne seinen Schutzbefohlenem heimkehren.

Jetzt gibt es zwei unterschiedliche Folgen dieser Legende.
Die eine Fortsetzung geht traurig weiter, denn die Mönche beschuldigten den Löwen, den Esel gefressen zu haben und töteten daraufhin den armen Löwen.

Die andere Fortsetzung ist milder, denn der Heilige Hieronymus glaube an die Unschuld des Löwen und setzte den Löwen erstmal auf Diät. Dann erfährt der Löwe das Los des Esels und verrichtete zukünftig dessen Aufgaben. Also zog der Löwe unter dem Joch des Esels den Karren.

Nun vereinen sich beide Ausführungen der Legende wieder, denn eines Tages zog eine Karawane zum Kloster, mit einem Esel an der Spitze, den die Mönche als den ihrigen erkannten. Der Löwe wurde in jedem Fall rehabilitiert, und sollte er noch gelebt haben, dann hatte er gewiß ein schönes Leben. War er jedoch schon gestorben, bekam er sicher ein gutes Andenken.
Und so ist es zu dieser schönen Ikone gekommen.

Mittlerweile habe ich erfahren, dass das Original zu dieser Ikone an vielen Plätzen ausgestellt wurde. Heute hängt die Ikone aus dem frühen 15. Jhd. im British Museum. Vermutlich wurde sie von Angelos Akontatos († 1457) gemalt, der es verstand, westliche und östliche Einflüsse auf Ikonen zu einem harmonischen Ganzen zu verbinden.
Der Buchtext ließ sich auf der Kopie, mit der ich mich damals als Vorlage begnügen mußte, nicht mehr entziffern. Also hatte ich mich für einen Psalm der David-Gebete entschieden: „Du öffnest Deine Hand und erfüllst alles was lebt mit Segen.“ Um zu betonen, dass es sich hierbei um eine Variation handelt, die vermutlich von Original abweicht, hatte ich Text und Seitenfarben ausgetauscht und mit weißer Schrift auf (Psalm des David, 144:16).

Jahre später entdeckte ich im British Museum endlich den Originaltext, der aus dem Lateinischen übersetzt folgendermaßen lautet: „Überwinde Zorn durch Geduld, liebe die Kenntnis der Heiligen Schrift und Du wirst nicht die Sünden des Fleisches erleiden.“
Originalinschrift aus dem Graduale Oculi Omnium (und so fand ich auch den schönen Choral-Chor, den Sie auf dieser Seite weiter oben, anhören können)
 „IRAM VINCE PATIE CIA AM SIECIAZ SCRIPT RARVM carnis VINSIA. NO Amae“

Hier kann man die Gepflogenheiten von Aufschriften auf Ikonen, das Wesentliche zu benennen und sich auf Verkürzungen zu besinnen, erkennen. Ausgeschrieben lautet der lateinische Text: „Iram vince patencia. ama scientia Scriptuarm, et carnis Vitien nicht amabis.“

Diese Ikone ist ein gutes Beispiel für die aufwendige Arbeit des Ikonen malen. Es ist notwendig, sich mit dem Thema ausführlich und gewissenhaft zu befassen. Dieser Prozeß kann sich manchmal über Jahre hinziehen. In diesem Fall ist er nun abgeschlossen. Ich habe jedoch zuvor zwei Abschriften dieser Ikone auf Wunsch gefertigt mit einem abweichenden Text. Beide Male wurden meine Kunden darauf hingewiesen. Doch nun bin ich in der Lage, diese Ikone auch mit dem Original-Text anzufertigen.

 

 

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