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Die schwarze Madonna - ein Mythos?

Betrachtungen zum Phänomen der Schwarzen Madonna.
Wo kommt sie her und was will sie uns sagen?

Ob ich denn schon einmal die schwarze Madonna gemalt habe? - werde ich gern von interessierten Zeitgenossen gefragt. Ehrlich: Zunächst kam mir diese Frage sehr bedenklich vor. Nicht dass ich irgendetwas gegen “schwarze Menschen” habe, mitnichten, denn das wäre ja auch ein grobes Vorurteil. Nein, die Frage nach der schwarzen Madonna ging für mich eher in die Richtung schwarze Magie, da die Fragenden indirekt auch auf etwas Mystisches anzudeuten schienen. Und da werde ich hellhörig! Satan, weiche von mir. Wie kann, so frage ich mich, die Mutter Gottes derartig eingefärbt werden, welcher Sinn, welche Hintergedanken schließt das mit ein?

Offensichtlich hat die Mutter Gottes in den Augen einiger Zeitgenossen also auch eine dunkle Seite, die auf die schwarze Madonna projiziert werden kann. Für mich ausgeschlossen, aber die Frage bleibt: Woher kommt dieser Ausdruck wirklich?

Als erster Versuch dient mir die gute Google-Suche, und zwar die Bildersuche. Stellvertretend für die westliche Welt googelte ich auf Google.de auf deutsch “Schwarze Madonna” und bekam folgendes Ergebnis:

Schwarze Madonna we kl

Hm - hauptsächlich dreidimensionale, schwarze Madonnen-Statuen mit viel viel Gold, also der größtmögliche Kontrast, bei dem das Gold besonders stark hervortreten kann. Betont wird hier der kostbare Anteil und damit der materielle, weltliche Wert der Madonna (italienisch: die Herrscherin). Selbst der Name “Madonna” verweist auf einen weltlichen Titel, eine weltliche Hierarchie. Aber warum ist diese Darstellung schwarz? Steht schwarz hier für das Unbewusste, das ewig mystisch weibliche? Fällt diese Anschauung dann nicht eher in den Bereich Magie und magische Kulte? Und ist das nicht eher unchristlich?! Könnte schon sein. Ist diese an Magie erinnernde Kultfigur vielleicht sogar besonders für Afrika zur leichteren Identifikation mit dem Christentum geschaffen worden?

Dann änderte ich meine Suche nach der schwarzen Madonna und bemühte dafür die griechische Bildersuche bei Google.gr und schrieb folgerichtig auch mit griechischen Buchstaben. Heraus kam dieses:

Schwarze Madonna gr kl

Hier sehen wir Wiedergaben der polnischen, wundertätigen Mutter Gottes Ikone aus dem Kloster Jasna Gora in Tschenstochau. Ein auch nur wenig an Ikonen gewöhntes Auge erkennt sofort: Es handelt sich um ein typisches Ikonenmotiv der Mutter Gottes Odigitria (die Wegweisende), welche das, für Ikonen typische erwachsene Christuskind auf dem Arm hält und dem Betrachter und der Betrachterin dieser Ikone präsentiert. Mit ihrer linken Hand verweist sie auf Christus und scheint damit zu sagen: “Seht her, dies, Christus, ist der Weg Gottes für euch!” Welch’ gnadenvolle Botschaft, welch’ demutsvolle Geste steckt in dieser Darstellung. Nicht ich, sondern Christus ist der Weg und das Leben!
Die Ikone von Tschenstochau reiht sich problemlos in die historische Reihe byzantinischer Ikonen ein, welche durch regionale und nationale Variationen bereichert, doch im Aufbau unverändert an die ersten Mariendarstellungen mit Kind erinnern. Solcher Art Ikonen gibt es viele, aber genau diese Ikone sticht mit zwei Eigenschaften aus der Masse hervor. Erstens erlitt sie ein Leid beim Angriff der Sarazenen; Zeichen dieses erlittenen Übels sind die drei Säbelhiebe an der rechten Wange der Gottesmutter (zwei senkrecht, einer waagerecht), die allein für sich schon genug Stoff für Legenden wären. Denn sooft man sie auch restaurierte, reparierte und übermalte, die Striche hoben sich immer wieder hervor.
Die zweite Eigenschaft der Ikone ist ihr Firnis, vielleicht auch eine, im 15. Jahrhundert nicht unüblich gewählte sehr dunkle Grundierung der Haut. Der Firnis dunkelt mit der Zeit nach (dieser vielleicht besonders stark), und die Aufhellung der lichten Flächen der Haut könnten zusätzlich mit einem mit der Zeit sich verflüchtigenden Weiß-Pigment vorgenommen worden sein mit dem Ergebnis einer sehr dunkel erscheinenden Haut.

Ein anderer Gründe, weshalb die Madonna schwarz wurde und blieb ist folgender:
Viele Menschen scheinen ganz einfach vergessen zu haben dass früher in unseren  Breiten, als Kerzen noch teure Ware war, einfache, billige Zutaten (Schweinefett und ähnliches) verwendet haben. Dies hatte zu Folge, dass sich sehr viel Ruß entwickelte. Aus Sorge, man könne das heilige Bildnis durch die Reinigung zerstören,  hat man es nie gereinigt. Was zu folgen hatte dass der Ruß sich regelrecht ins Material hineinfressen konnte.

Was mit Sicherheit zum Zeitpunkt der Anfertigung dieser Ikone nicht geschah ist, das der Maler den Auftrag bekam, eine “Schwarze Madonna” zu malen. Es gibt nämlich keine schwarze Madonna - vermutlich hat der katholische Westen sie später erst dazu gemacht. Aus welchen Beweggründen, ich weiß es nicht, da kann sich also jede und jeder selbst einen Reim drauf zimmern.

Was aber macht Satan? Antwort: Er dreht alles um, macht aus unten oben, aus gut böse und aus falsch richtig!

Aber, wie sagte Goethe’s Mephisto seinerzeit: “Ich bin die Kraft, die stets das Böse will, und doch das Gute schafft.” - Vielleicht ist die “schwarze Madonna” ja eine gute Möglichkeit, sich auf die eigenen Assoziationen einzulassen, die einem dabei einfallen und diese zum Anlass zu nehmen, selbst die Spreu vom Weizen trennen zu lernen.

Schlussendlich sei betont, dass jeder Gläubige von seiner inneren Stimme geleitet wird und die Kraft des Glaubens sich natürlich auch auf schwarze Madonnen widerspiegelt. Friede sei mit ihr.

 

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